Sind Sie auch entsetzt beim Blick auf die Zapfsäule, die Stromrechnung und die Supermarkt-Rechnung? Was wird zum Jahresende noch an Nachzahlungen bei Strom und Heizung auf uns zukommen? Die horrenden Energie- und Lebensmittelpreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stellen Europas Bürgerinnen und Bürger wie auch Unternehmen vor immense Herausforderungen. Damit das Leben bezahlbar bleibt, müssen wir auf politischer Ebene alles daransetzen, die explodierenden Energiepreise in den Griff zu bekommen. Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen in Europa brauchen spürbare Entlastungen. Und zwar schnell.
Gefordert sind in erster Linie die Mitgliedstaaten, die über Steuern und Abgaben an den Preissteigerungen gut mitverdienen. Die Ampelregierung hätte schon längst die Stromsteuer senken können, wie dies viele andere Mitgliedstaaten bereits vor Monaten getan haben. Auch die EU-Kommission hat bereits einige Vorschläge gemacht, wie Haushalte und Unternehmen entlastet werden können. Entscheidend ist, dass schnell und pragmatisch gehandelt wird.
Ob der Vorschlag der Europäischen Kommission, Gewinne bei den Stromproduzenten abzuschöpfen und dann europaweit umzuverteilen, sich einfach umsetzen lässt, kann man in Frage stellen. Am schnellsten, effektivsten und unbürokratischsten kommen wir meiner Meinung nach zu einem günstigeren Strompreis an der Börse, wenn im Merit-Order-Verfahren der Bezug auf Gas ausgenommen würde. Damit würde der Gaspreis nicht mehr den Preis für alle Stromerzeugungstechnologien bestimmen. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Preisbildung am Energiemarkt und würde sich weitaus schneller als andere Maßnahmen auswirken.
Entscheidend ist, dass alle verfügbaren Kapazitäten genutzt bzw. hochgefahren werden. Denn jede Angebotssteigerung drückt den Preis. Von der EU-Kommission müssen deshalb klare Ansagen an die Mitgliedsstaaten kommen. Solidarität in der EU kann nur in Anspruch nehmen, wer alles Mögliche und Machbare bei seinen Quellen veranlasst. Das betrifft auch die Ampelregierung in Berlin. Die ursprüngliche Entscheidung der Bundesregierung, zwei Atomkraftwerke nur als „Einsatzreserve“ bereitzuhalten, halte ich angesichts der aktuellen Probleme für wirklich grotesk. Durch den massiven Druck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Wirtschaft kommt jetzt endlich Bewegung in die Sache.
EU-Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark und Griechenland haben für ihre Bürgerinnen und Bürger bereits echte Entlastungsmaßnahmen eingeführt. Das reicht von der Energiesteuersenkung bis zur Preisdeckelung. Die deutsche Regierung hinkt hier zeitlich und inhaltlich massiv hinterher.
In derartigen Krisenzeiten müssen auch zusätzliche Auflagen für Unternehmen und Landwirtschaft durch die EU unbedingt vermieden werden. Der Energiekrise-Winter wird zum Stresstest für die EU-Solidarität mit der Ukraine werden. Es ist wichtig, dass kein Mitgliedstaat ausschert und damit Putin und seinem blutigen Angriffskrieg in die Hände spielt. Die Kommission muss alles dafür tun, um die Reihen geschlossen zu halten.