Die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate – wie der überstürzte Abzug aus Afghanistan oder der neue indo-pazifische Sicherheitspakt AUKUS, den die USA mit UK und Australien begründeten – haben die Beziehungen zwischen der EU und den USA auf die Probe gestellt. Die hohen Erwartungen Europas auf einen gleichberechtigten und vertrauensvollen Neustart der Zusammenarbeit unter US-Präsident Joe Biden wurden bisher noch nicht erfüllt. Umso wichtiger ist es für mich, dass wir unsere gemeinsamen Interessen definieren und insoweit eng abstimmen. Denn Amerika bleibt unser wichtigster strategischer Partner.
Besonders wichtig wäre für mich eine gemeinsame Lösung für den Chipmangel zu finden. Mittlerweile stehen schon Förderbänder von Fabriken still, die Automobilindustrie trifft dies ebenso wie den Maschinenbau. Denn ohne Halbleiter geht heutzutage fast nichts mehr. Wir brauchen verlässliche Lieferketten und müssen die Chipproduktion hochfahren. Schließlich wird der Bedarf an Halbleitern in Zukunft weiter steigen. Wir müssen alles daran setzen, dass wir technologisch in der EU autonomer werden. Insoweit wäre eine Technologieallianz mit den USA mehr als wünschenswert.
Zudem sehe ich Gesprächsbedarf über die Fairness auf digitalen Märkten. Nicht nur die EU, auch die USA haben ein Interesse, dass wir für digitale Unternehmen gerechtere Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Vor allem bei Zukunftstechnologien könnten US-Amerikaner und Europäer durch den neu geschaffenen EU-US-Handels- und Technologierat mit vereinten Kräften vorangehen und gemeinsam Technologiestandards prägen. Es gibt hier einige Themen, bei denen wir uns strategisch abstimmen sollten. Wir sollten uns also auf gemeinsame Interessen konzentrieren und uns auch gegenüber China besser koordinieren. Es ist die Stunde, endlich auch an einer europäischen Verteidigungsunion konkret zu arbeiten.
Klar ist aber auch: Eine vertrauensvolle und stabile Allianz mit den USA schließt europäische Eigenständigkeit nicht aus. Das ändert nichts an unserer Freundschaft zu Amerika.