Geht das Jahr 2022 als annus horribile in die europäische Geschichte ein? Krieg in der Ukraine, Inflation, Energieknappheit und dann am Ende des Jahres noch ein handfester Korruptionsskandal, in dessen Mittelpunkt die griechische Sozialdemokratin Eva Kaili, Vizepräsidentin des Parlaments, steht. 2022, das nach Corona wieder die Leichtigkeit des Lebens zurückbringen sollte, war für mich in der Tat ein annus horribile.
Der brutale russische Angriff auf die Ukraine hat uns Europäerinnen und Europäer sowie viele Menschen in der Welt in diesem Jahr zutiefst erschüttert. Krieg mitten in Europa nach 70 Jahren Frieden und Freiheit macht fassungslos. Bis heute schockieren uns die Bilder von den Gräueltaten russischer Soldaten, dem sinnlosen Töten, Morden und Zerstören. Dankbar bin ich für die große Solidarität und Hilfsbereitschaft vieler Menschen gegenüber den Ukrainerinnen und Ukrainern, die vor dem Krieg zu uns geflohen sind.
Bis heute stehen die Europäer geschlossen solidarisch an der Seite der Ukraine. Wir haben als Europäer mit Wirtschaftssanktionen ungeahnten Ausmaßes auf den russischen Angriffskrieg reagiert. Wir haben Mittel für die Ukraine, auch zum Kauf von Waffen, bereitgestellt und der Ukraine eine EU-Beitrittsperspektive eröffnet.
Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges treffen auch uns in Bayern unmittelbar: Jeder Haushalt und jedes Unternehmen ist durch die horrenden Energiepreise betroffen. Die Achillesferse der EU ist die Energieversorgung. Was haben wir in Europa unternommen, um die Preise in den Griff zu bekommen? Wir haben die Mitgliedstaaten gezwungen, ihre Gasspeicher zu füllen. Die EU bietet an, gemeinsam am Weltmarkt Gas einzukaufen, um bessere Konditionen zu bekommen. Wir arbeiten an neuen Referenzwerten für die Festsetzung des Strom- und Gaspreises.
Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der CSU-Europagruppe habe ich auch mit Nachdruck ein Belastungsmoratorium für unsere Betriebe gefordert. Neue legislative Vorschläge dürfen keine neuen Belastungen für unsere Betriebe vorsehen. Wichtig ist zudem, aus dem Angriffskrieg auch langfristig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Europa braucht endlich eine gemeinsame Außenpolitik, die diesen Namen verdient. Wir müssen insoweit von der Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen bei den Mitgliedstaaten kommen. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Auch die militärische Zusammenarbeit innerhalb der Union und der NATO muss gestärkt werden. Außerdem müssen wir uns unabhängiger machen. Dies betrifft nicht nur Rohstoffe wie Gas, Öl und Kohle aus Russland, sondern beispielsweise auch Hochtechnologiegüter wie Computer-Chips.
Im vergangenen Jahr haben wir die Wirtschaft in der EU mit vielen Klima-Maßnahmen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Bei den Beratungen über die den sog. Green Deal war mir wichtig, dass wir bei der Umsetzung der ambitionierten Klimaziele auf marktwirtschaftliche Lösungen und Technologieneutralität setzen. Deshalb habe ich auch gegen das Aus für den Verbrennungsmotor gestimmt, den Grüne, Linke, Sozialdemokraten und große Teile der europäischen Liberalen letztlich gegen die Stimmen von uns in der EVP-Fraktion durchgesetzt haben.
Auch im digitalen Bereich haben wir die Europäische Union vorangebracht. Mit neuen europäischen Regulierungen werden Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Wahlfreiheit bekommen, Plattform-Betreiber stärker in die Pflicht genommen und mit dem sog. Data Governance Act wird die Datennutzung und das Datenteilen erleichtert. Zudem gibt es künftig ein einheitliches Ladekabel.