„Wir schaffen das nicht mehr!“ Diese klare Ansage gegenüber Vertretern der Kommission und uns Parlamentariern machten bereits Ende letzten Jahres zahlreiche Landräte und Oberbürgermeister, als sie beim Jubiläum des Europabüros der kommunalen Spitzenverbände zu Gast in Brüssel waren. Neben Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine kommen seit Monaten immer mehr Menschen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei nach Europa. Im Januar und Februar registrierten die Behörden in Deutschland rund 1000 Asylanträge pro Tag.
In vielen bayerischen Landkreisen sind die Unterbringungskapazitäten erschöpft. Container werden wieder aufgestellt, in München wurden inzwischen auch wieder Zeltstädte eröffnet.
Doch Aufnahme und Integration bedeutet mehr, als nur einen Schlafplatz anzubieten. Es fehlt langfristig Wohnraum, es fehlen Kita- und Schulplätze, Sprachkurse, Arbeitsmöglichkeiten und mehr. Die Situation ist angespannt, die Stimmung kippt. Anwohner fühlen sich überfordert und überrollt, wenn immer mehr Containerunterkünfte in ihrer Nähe errichtet werden. Wenn durch ständig neu aufgenommene Schüler und Schülerinnen Lehrer und Lehrerinnen keinen ordentlichen Unterricht mehr abhalten können, Turnhallen nicht mehr für den Schul- und Vereinssport zur Verfügung stehen, dann ist das System schlichtweg überlastet, monieren viele Bürgerinnen und Bürger. Die deutsche Polizeigewerkschaft warnt eindringlich vor einem Kippen der Stimmung im Land.
Die Probleme treffen nicht nur Deutschland.
Italien hat jüngst wegen des hohen Migrationsdrucks über die Mittelmeerroute den Notstand ausgerufen. Andere EU-Staaten schauen dagegen einfach weg, obwohl sie sehen, dass der Grenzschutz und die Kontrollen illegaler Migranten offenbar noch immer nicht funktionieren. Neue Abkommen mit nordafrikanischen Staaten, um Schlepperbanden das Handwerk zu legen, wurden nicht verhandelt. Auch die Rückführung von Migranten scheitert oft, weil ihre Heimatländer sie nicht zurücknehmen wollen.
Wir schlafwandeln in die nächste Migrationskrise, hat Manfred Weber neulich treffend formuliert, und einen wirksamen Grenzschutz an den europäischen Außengrenzen angemahnt sowie schnellere Asylverfahren und konsequente Rückführungen.
Im Europäischen Parlament wurde nach intensiven Beratungen nun endlich ein europäischer Asyl- und Migrationspakt verabschiedet. Er sieht straffere Verfahren, konsequentere Rückführungen, einheitliche Ersteinreisekriterien und einen Solidaritätspool der EU-Mitgliedstaaten für eine bindende Verteilung von Flüchtlingen vor. Viele der Maßnahmen haben wir CSU-Abgeordnete schon seit Jahren gefordert. Ob die Verfahren im Rahmen des „Solidaritätspools“ in der Praxis tatsächlich so umgesetzt werden können, wird die Zukunft zeigen. Bislang sind die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen bei der Verteilung von Flüchtlingen vielfach nicht nachgekommen.
In Ersteinreiseländern im Mittelmeerraum wie Italien und Griechenland kann der Migrationsdruck besonders groß sein. Auch wir sind betroffen, weil Viele über die Mittelmeerroute auch in Deutschland einreisen. Deshalb ist vorgesehen, dass die Europäische Kommission eine jährliche Prognose darüber abgibt, wie viele Geflüchtete in solchen Mitgliedstaaten ankommen und wie sich die Kapazitäten zur Unterbringung und Versorgung dort voraussichtlich entwickeln werden. Aus dieser Prognose soll ermittelt werden, wieviel Hilfe von anderen Mitgliedstaaten benötigt wird. Auf dieser Basis sollen andere Mitgliedstaaten konkret zusagen, wie viele Geflüchtete sie unterbringen und versorgen können, sodass Mitgliedstaatem mit hohem Migrationsdruck entlastet werden können. Auch operative Hilfe kann in diesem Rahmen zugesagt werden. Auf diesen sog. „Solidaritätspool“ an Hilfeleistungen kann zurückgegriffen werden, falls nötig. Sollten diese Hilfeleistungen nicht ausreichen, kann weitere Hilfe bei den Mitgliedstaaten angefragt werden. Falls der Migrationsdruck auch dann noch hoch ist, kommt ein messbarer Verteilungsschlüssel ins Spiel. Die Bewertung des Migrationsdrucks eines Mitgliedstaats wird auch dem Europäischen Parlament zur Kenntnisnahme vorgelegt.
Im Falle eines Massenzustroms soll der Solidaritätsmechanismus deutlich schneller greifen. Die Bewertung des Migrationsdrucks in einem Mitgliedstaat soll dann in nur einer Woche passieren – nicht wie sonst in vier Wochen. Auch für die Solidaritätsmaßnahmen gibt es nur eine Frist von einer Woche. Dem Europäischen Parlament soll außerdem alle drei Monate Bericht erstattet werden über die Umsetzung der Solidaritätsmaßnahmen in allen betroffenen Mitgliedstaaten.
An Grenzgebieten sollen verpflichtende Screenings von Ankömmlingen durchgeführt werden. Dies soll für alle Drittstaatsangehörige gelten, die bei illegalen Übertritten der Außengrenzen aufgegriffen oder nach Such- und Rettungsaktionen ausgeschifft wurden, sowie für all jene, die an einer Grenzübergangsstelle um internationalen Schutz ersuchen, ohne die Einreisebedingungen zu erfüllen. Das Screening beinhaltet u.a. die Erfassung von Fingerabdruck- und Gesichtsbilddaten in den entsprechenden Datenbanken, die Prüfung der Schutzbedürftigkeit und eine Sicherheitskontrolle. Zweck des neuen Screenings ist es, die ankommenden Drittstaatsangehörigen innerhalb von fünf Tagen zu identifizieren und das richtige Verfahren für sie zu finden.
Wir in der CSU-Europagruppe fordern schon seit langem, dass die Erstkontrolle an den Außengrenzen erfolgen muss und nicht Asylberechtigte schon an der Grenze abgewiesen werden. Sogenannte Grenzverfahren sollen die Antragsbearbeitung von Asylanträgen nun deutlich beschleunigen. So kann künftig direkt an der Außengrenze über den Asylantrag entschieden werden. Anträge sollen dabei spätestens fünf Tage nach der erstmaligen Registrierung gestellt werden. Die Verfahren sollen so kurz wie möglich, aber höchstens 12 Wochen dauern.
Die neuen Regeln sollen endlich zu einem geregelten und fairen Migrationssystem in der EU führen, das Rücksicht auf Überlastungen vor Ort nimmt. Dazu brauchen wir jedoch auch in Berlin endlich den politischen Willen, den überlasteten Landkreisen und Kommunen zu helfen. Die Bundesregierung muss endlich aufwachen. Die deutsche Innenministerin Faeser versuchte beim EU-Migrationsgipfel sogar noch, den „Visahebel“ gegen nicht kooperative Regierungen aufzuhalten. Damit sollen unkooperative Regierungen dazu bewegt werden, ihre Staatsbürger wieder zurück zu nehmen.
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