Zu den EU-Maßnahmen gegen die Corona-Krise, die diese Woche im Europäischen Parlament – erstmals in einer Online-Abstimmung – verabschiedet werden, erklärt Prof. Dr. Angelika Niebler, Europaabgeordnete und Präsidentin des Wirtschaftsbeirats Bayern:
„Diese Zeit ist eine Bewährungsprobe für Europa. Wir müssen zeigen, dass wir als Europäer stärker agieren, wenn wir solidarisch handeln. Viele Betriebe stehen vor dem Aus. Deshalb sind die finanziellen Hilfen von Staat, Bund und EU wichtig, um eine Perspektive zu bieten und um die Wirtschaft nachhaltig zu unterstützen. Wir brauchen unbürokratische, schnelle Lösungen, die gezielt da ansetzen, wo Engpässe entstanden sind. Die EU stellt daher nicht nur finanzielle Mittel zur Verfügung, sie lockert auch wirtschaftliche Regelungen, damit die Mitgliedstaaten vor Ort zielgerichtet Maßnahmen ergreifen können, um die Krise zu überstehen.“
Solidarität in Europa – keine nationalen Alleingänge
Die Kommission trifft alle erforderlichen Vorkehrungen, damit eine angemessene Versorgung mit Schutzausrüstungen in ganz Europa sichergestellt ist. Die Kommission hat mit 26 Mitgliedstaaten ein beschleunigtes Beschaffungsverfahren eingeleitet. Die Kommission beharrt darauf, dass die Mitgliedstaaten von ungezielten nationalen Maßnahmen absehen.
Niebler: „Der Virus kennt keine Grenzen, daher müssen wir grenzenlos solidarisch sein. Europa- weit haben sich im Auftrag der Kommission bereits im Januar Forscherteams gebildet, um an Impfstoffen, Tests und Methodik zu arbeiten. Ein einzelner Staat könnte das nicht leisten. Die EU hat außerdem 80 Millionen Euro für die Impfstoff-Entwicklung bei CureVac investiert.
Wirtschaftskreisläufe dürfen sich nicht re-nationalisieren. Grenzüberschreitendes Arbeitspendeln ist in vielen Grenzregionen unverzichtbar und hat positive Effekte für beide Seiten. Auch Saisonkräfte wie Erntehelfer werden für die Landwirtschaft überall in Europa gebraucht. Hier müssen die Mitgliedstaaten untereinander koordinierte Regelungen unter dem Dach der EU treffen. Soweit Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus gesundheitlichen Gründen notwendig sind, sollten diese möglichst nur für kurze Zeit verhängt werden.“
Corona-Investitionsinitative (CRII)
Um EU-Gelder für Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise bereitzustellen, sollen Mittel aus der Kohäsionspolitik (Strukturfördermittel) bereitgestellt werden. Insgesamt sind dafür 37 Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt für 2020 vorgesehen.
Niebler: „Es ist richtig und notwendig, dass EU-Mittel kurzfristig dort eingesetzt werden können, wo sie am notwendigsten gebraucht werden. Den europäischen Mehrwert für die Regionen müs-sen und können wir auch unter erschwerten Bedingungen erhalten. EU-Mittel sollen nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern sinnvoll und zielgerichtet, und auch für alle kleinen und mittelständischen Betriebe unkompliziert und unbürokratisch verfügbar sein.“
EU-Solidaritätsfonds
Bisher können die zweckgebundenen Mittel des EU-Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen (wie etwa Hochwasser oder Erdbeben) eingesetzt werden. Zur Bekämpfung des Coronavirus soll der Anwendungsbereich um Notlagen für die öffentliche Gesundheit erweitert werden. Für das laufende Haushaltsjahr stehen 800 Millionen Euro zur Verfügung.
Niebler: „Die Bekämpfung des Coronavirus und seiner wirtschaftlichen Folgen ist ein Mammutprojekt. Es ist notwendig, dass wir EU-Gelder so flexibel wie möglich für solche Maßnahmen ein- setzen können. Selbst grundsolide Unternehmen kämpfen jetzt ums Überleben. Sie brauchen Liquidität.“
Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen
Die Europäische Kommission hat einen Befristeten Rahmen angenommen, der die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Um- fang zu nutzen, um die Wirtschaft zu unterstützen. Zusammen mit den zahlreichen anderen Unterstützungsmaßnahmen, ermöglicht der Befristete Rahmen es den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Unternehmen aller Art ausreichend Liquidität zur Verfügung haben, und die Auf- rechterhaltung der Wirtschaftstätigkeit während und nach der COVID-19-Pandemie zu gewährleisten.
Niebler: „Die EU kann die Corona-Krise nicht lösen, aber sie kann die Rahmenbedingungen so verändern, dass alle Mitgliedstaaten, passgenaue Maßnahmen vor Ort ergreifen können.“
Leitlinien für Gütertransport
Angesichts befürchteter Versorgungsengpässe hat die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten auf- gefordert, bei Grenzkontrollen wegen der Corona-Krise für einen möglichst ungehinderten Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt zu sorgen. Sie hat dazu Leitlinien verabschiedet.
Niebler: „Wir müssen zwingend den Gütertransport aufrechterhalten. Nicht nur, um unsere Lieferketten zu erhalten, sondern auch, um nicht an den Grenzen das Gesundheitsrisiko zu erhöhen. Entscheidend ist, dass wir innerhalb Europas den unbehinderten Warenverkehr speziell für Nahrungsmittel, Lebendvieh sowie Medikamente und Schutzausrüstung beibehalten.“