Künftig soll es eine europaweite Renovierungspflicht für Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz geben. Dafür hat sich eine Mehrheit des zuständigen Ausschusses für Industrie, Energie und Forschung heute bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ausgesprochen.
Angelika Niebler, oberbayerische CSU-Europaabgeordnete, kritisiert die Verschärfung der Ziele: „Die Verpflichtungen nach der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, wie sie heute vom Industrieausschuss beschlossen wurden, sind viel zu weitgehend. Sie verpflichten nicht nur die öffentliche Hand, Renovierungen an ihren Gebäuden vorzunehmen, sondern insbesondere auch private Hauseigentümer. Pauschale Renovierungsverpflichtungen werden der Lebenswirklichkeit aber einfach nicht gerecht. Nicht immer macht es Sinn, ein Haus zu renovieren, beispielsweise wenn es sich wirtschaftlich einfach nicht rechnet. Die hohe Inflation, der Rohstoff- und Fachkräftemangel verteuern Renovierungen zusätzlich. Darauf nimmt das Votum des Industrieausschusses keine Rücksicht.“
Die Kommission hatte im Dezember 2021 eine Überarbeitung der Richtlinie vorgeschlagen, um mehr Anreize für die Dekarbonisierung des EU-Gebäudesektors zu setzen. Dieser ist für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich. Niebler bestätigt: „Natürlich muss auch der Gebäudesektor zur Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele seinen Betrag leisten. Zu diesem Zweck wurde bei der Überarbeitung der Emissionshandelsrichtlinie der Emissionshandel extra auf den Gebäudesektor ausgeweitet. Zudem haben wir mit der Energie-Effizienz-Richtlinie bereits Renovierungsziele für öffentliche Gebäude vorgegeben. Wir können Renovierungen aber nicht mit der Brechstange durchsetzen. Wohnen muss bezahlbar bleiben und wir brauchen Anreize, dass weiter Wohnungen gebaut werden. Die heute beschlossenen Mindestnormen bewirken das Gegenteil.“
Im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Reform stehen die sogenannten Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz, die eine Renovierung der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz verbindlich machen sollen. Der Industrieausschuss hat die Mindestnormen heute im Vergleich zum bereits ambitionierten Kommissionsvorschlag verschärft. So sollen Wohngebäude bis 2030 mindestens Energieeffizienzklasse „E“ und bis 2033 mindestens „D“ erreichen. Für Nicht-Wohngebäude und alle öffentlichen Gebäude sollen diese Normen bereits bis 2027 und 2030 erreicht werden. Die Kommission hatte hier jeweils die Energieeffizienzklassen „F“ und „E“ vorgeschlagen. In Deutschland geht die Skala der Energieeffizienzklassen aktuell von „A“ bis Klasse „H“, welches für die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz steht.
Zwar konnte die EVP-Fraktion, der auch die CSU angehört, in den Beratungen mit den anderen Fraktionen einige wichtige Verbesserungen erreichen. So können EU-Länder beispielsweise Sozialwohnungen in öffentlichem Besitz von der Renovierungspflicht ausnehmen, wenn eine Renovierung zu steigenden Mieten führen würde. Außerdem können Mitgliedsstaaten Ausnahmen für die Renovierung von Wohngebäuden bei der Kommission beantragen. So können Mindestnormen angepasst werden. Allerdings gelten die Ausnahmen nur für 22 % der zu renovierenden Wohngebäude und sind bis 2037 zeitlich begrenzt. Niebler hält die Ausnahmen daher für ungenügend: „Es ist zwar begrüßenswert, dass wir im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag Ausnahmen für Wohngebäude durchsetzen konnten. Allerdings sind diese aus meiner Sicht nicht ausreichend. Sozialwohnungen sind in Deutschland zum Teil in privater Hand und können dadurch beispielsweise nicht von der Ausnahme profitieren.“
Die Richtlinie macht außerdem Mindestvorgaben für die Infrastruktur für Elektroautos und Fahrräder. So sollen beispielsweise beim Neubau von Nicht-Wohngebäuden mit einer bestimmten Mindestanzahl von Parkplätzen Vorrichtungen für E-Ladesäulen gebaut werden. Dies beinhaltet beispielsweise die Verlegung von Kabeln, auch wenn unklar ist, wann und ob die E-Ladesäulen in der vorgegebenen Anzahl genutzt werden. Dies kann zu hohen Baukosten führen. Niebler hätte sich hier eine andere Lösung gewünscht: „Es wäre ausreichend gewesen, wenn wir Vorgaben zur Verlegung von Rohren gemacht hätten. Das ist kostengünstiger und hätte beispielsweise dem Einzelhandel so mehr Spielraum gegeben. Wenn die Nachfrage nach E-Autos zukünftig steigt, wäre es immer noch möglich gewesen, die dafür notwendigen Kabel verlegen zu lassen. Immerhin konnten wir dies für Wohngebäude, die renoviert werden, durchsetzen.“ Es gibt nach der Richtlinie auch Mindestvorgaben für Fahrradstellplätze. Niebler hierzu: „Mindestvorgaben zu Fahrradparkplätzen sind auf europäischer Ebene fehl am Platz. Dies lässt sich besser lokal und regional lösen.“
Die Richtlinie wird nun im Plenum des Europäischen Parlaments abgestimmt. Danach beginnen die Beratungen mit den Mitgliedsstaaten.